Begrüßten die Teilnehmenden in diesem Jahr online: die wissenschaftlichen Tagungsleiter Dr.-Ing. Martin Kleimaier (VDE/ETG) und Dr.-Ing. Jens zum Hingst (CUTEC und EFZN) (von links). Foto: © EFZN

Veranstaltungsbericht von Dr.-Ing. Martin Kleimaier, VDE ETG

Die vom Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) in Kooperation mit VDE ETG organisierte Dialogplattform Power-to-Heat wurde in diesem Jahr zum neunten Mal durchgeführt. Diesmal stand die Veranstaltung unter dem Motto „Optionen und Strategien zur Wärmewende“. Aus organisatorischen Gründen war es leider auch in diesem Jahr nicht möglich, die Veranstaltung wie ursprünglich vorgesehen in der Niedersächsischen Landesvertretung beim Bund in Berlin durchzuführen. Daher wurde abweichend von der bisherigen Praxis diesmal auch auf einen Call for Papers verzichtet. Stattdessen hat der Programmausschuss (Dr.-Ing. Jens zum Hingst, CUTEC Forschungszentrum der TU Clausthal und Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN), Frank Mattioli, EFZN und Dr.-Ing. Martin Kleimaier, VDE ETG) ein interessantes Programm mit eingeladenen Referenten zusammengestellt. Als Format für die diesjährige Veranstaltung wurden drei kürzere Webinare mit unterschiedlichen Aspekten gewählt, die am 30.11., 7.12. und 14.12.2023 jeweils zwischen 16:30 und 18:30 Uhr stattgefunden haben. Während der erste Abend dem Thema Wärme im Gebäude gewidmet war stand am zweiten Abend das Thema Prozesswärme in der Industrie im Vordergrund. Am dritten Abend konnte dann noch über Erfahrungen realisierter Vorhaben berichtet werden. Die Online-Veranstaltung konnte den Interessenten nach Anmeldung auch in diesem Jahr wieder kostenlos angeboten werden.

Etwa 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich zu dieser Webinar-Reihe angemeldet. Erwartungsgemäß war dabei das Interesse an dem Thema Wärme im Gebäude aufgrund der in den letzten Wochen und Monaten geführten Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz am größten. Zu diesem Thema konnte in einem Beitrag anschaulich gezeigt werden, dass elektrische Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden eine energetisch sinnvolle und wirtschaftliche Lösung darstellen können, wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen vorhanden sind. In Deutschland werden dies üblicherweise Luft-Wasser oder Wasser-Wasser-Wärmpumpen sein. Einem verbreiteten Einsatz der im skandinavischen Raum häufig installierten Luft-Luft-Wärmepumpen (Split-Klima-Anlagen) werden in Deutschland aus verschiedenen Gründen nur geringe Chancen eingeräumt.

Da Strom aus erneuerbaren Quellen auf absehbare Zeit noch nicht permanent für eine elektrische Wärmeerzeugung zur Verfügung steht, müssen auch Lösungen für diese Übergangszeit gefunden werden. Dabei gilt es einerseits die zur Verfügung stehenden EE-Überschussstrommengen möglichst vollständig zu nutzen und Abregelungen so weit wie möglich zu vermeiden. Andererseits sollte dabei gleichzeitig die Nutzung fossiler Energieträger entsprechend zurückgefahren werden. Ermöglicht werden könnte dies mit hybriden (bivalenten) Wärmeerzeugungssystemen: dabei soll bei EE-Überschüssen eine dargebotsabhängigen Nutzung in Power-to-Heat-Systemen angestrebt werden, in Kombination mit den vorhandenen konventionell fossil-gefeuerten Wärmeerzeugern, die dann nur noch in Zeiten mit EE-Mangel zum Einsatz kommen. Derartige Hybrid-Systeme könnten sowohl im privaten Bereich als auch für eine Nutzung im Bereich industrieller Prozesswärme genutzt werden, da sich dort beide Systeme relativ einfach und kostengünstig kombinieren lassen. Bei Wärmepumpen ließen sich kostengünstigere Lösungen realisieren, wenn diese nicht für die kältesten Tage ausgelegt werden müssten. Aufgrund der i.d.R. sehr niedrigen Investitionskosten für PtH-Systeme mit Direktheizung (elektrische Widerstandsheizung) können diese selbst bei  kurzen Einsatzdauern während der aktuell noch sehr beschränkten Zeiten mit EE-Überschüssen zum Einsatz kommen. Solange allerdings Brennstoffkosten für die fossile Wärmeerzeugung noch günstiger sind als EE-Strom – selbst bei EE-Überschusssituationen – werden keine wirtschaftlichen Anreize für derartige Systeme gesehen. Neben attraktiven Tarifsystemen für die Nutzung von EE-Überschüssen fehlen auch noch hierfür geeignete Informations- und Steuerungssysteme. Für Eigenheimbesitzer mit eigener PV-Anlage könnten sich jedoch bereits heute sinnvolle Lösungen realisieren lassen. Neben einer Trinkwassererwärmung könnten in den Sommermonaten Wärmepumpen auch für die Klimatisierung eingesetzt werden, wenn die Systeme hierfür ausgelegt sind. Auch ein netzdienlicher Betrieb wäre mit derartigen flexiblen hybriden PtH-Systemen möglich; wird dies aktuell allerdings noch nicht honoriert.

In einem weiteren Tagungs-Beitrag, wurden verschiedene Optionen zur Bereitstellung von elektrischer Prozesswärme mit Temperaturen bis etwa 270 °C mit Hilfe von  Hochtemperatur-Wärmepumpen vorgestellt. Neben einem Einsatz in der Fernwärmeversorgung kommen derartige Systeme für die Versorgung mit Prozesswärme zum Einsatz. Unterschiedliche Einsatzfälle aus verschiedenen Bereichen wurden vorgestellt und die Randbedingungen für einen erfolgreichen Business-Case erläutert.

Neben der elektrischen Wärmeerzeugung wird auch die Wärmespeicherung eine zunehmend wichtiger werdende Rolle spielen. Dies wurde in mehreren Beiträgen verdeutlicht: für die Niedertemperatur-Wärmespeicherung wurden in einem Beitrag verschiedene Optionen für eine Erdbeckenspeicherung vorgestellt und die Herausforderungen anschaulich dargestellt. In einem anderen Beitrag wurden Systeme zur Eisspeicherung thematisiert. Die Nutzung der latenten Wärme kann dabei sowohl für Kühl- als auch für Heizzwecke zum Einsatz kommen. Neben den Grundlagen dieser Speichertechnologie wurden bereits realisierte bzw. geplante Einsatzfälle vorgestellt.

Auch im Bereich der Hochtemperatur-Wärmespeicherung gibt es sehr interessante Entwicklungen. Hier wurde ein modulares System vorgestellt, das für Speichertemperaturen bis etwa 1300 °C ausgelegt ist. Dabei wurden neben der langen Lebensdauer der Komponenten insbesondere auch die Kostenvorteile einer Wärmespeicherung im Vergleich zu einer elektrischen Speicherung, z.B. in Batterien, hervorgehoben. Interessante Einsatzfälle, die bereits realisiert wurden bzw. noch in Planung sind, wurden vorgestellt.

Bei nahezu allen Beiträgen wurde die in Deutschland in vielen Fällen fehlende Konkurrenzfähigkeit des Strompreises für Wärmeanwendungen im Vergleich zu den Preisen für fossile Brennstoffe hervorgehoben. Um den Herausforderungen zur Erreichung eines klimaneutralen Deutschlands gerecht zu werden, müssen dringend attraktive Rahmenbedingungen für die Nutzung von EE-Strom für eine klimaneutrale Wärmeerzeugung geschaffen werden.

Um dem Ursprungsgedanken einer „Dialogplattform“ gerecht zu werden, wurde auch bei diesem neuen Online-Format wieder darauf geachtet, dass für die Fragen und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer ausreichend Zeit eingeplant wurde. Hiervon wurde sowohl im Chat als auch mit direkten Fragen an die Referenten reger Gebrauch gemacht.

Die 9. Dialogplattform wird damit - trotz des Online-Formats - sowohl von den Teilnehmern als auch von den Veranstaltern wieder als voller Erfolg gesehen. Daher soll es auch eine Neuauflage einer Veranstaltung zu diesem Themenkomplex geben. In welcher Form und zu welchem genauen Zeitpunkt die 10. Dialogplattform stattfinden wird, soll Anfang 2024 entschieden werden. Rückblickend auf die sehr erfolgreichen früheren Veranstaltungen, wäre eine Präsenzveranstaltung in der Niedersächsischen Landesvertretung beim Bund in Berlin wünschenswert, um endlich auch wieder persönliche Gespräche und Diskussionen zu ermöglichen.

Programm

Wärme im Gebäude: Quellen - Erzeugung - Speicherung – Senken

30. November 2023, 16:30-18:30 Uhr

Tjarko Tjaden, Klimaschutzmanager, Planer & Berater für regenerative Energiesysteme:
Wärmepumpen im Bestand - Heizen, Kühlen, Speichern

Martin Kleimaier, VDE ETG: Der Einsatz von Stromdirektheizung und Hybridsysteme

Mathias Safarik, ILK Dresden: Vakuum-Flüssigeis-Technologie im Kontext der Aquathermie

Moderation: Jens zum Hingst, CUTEC-Forschungszentrum und EFZN


Prozesswärme in der Industrie:  Quellen - Erzeugung - Speicherung – Senken

7. Dezember 2023, 16:30-18:30 Uhr

Waris Ziarkash, ifes/LUH & Eva Schreiner, VEA:
Klimaneutrale Prozesswärme für die Industrie - Wissensstand 2023

Dirk Fährmann, Siemens Energy:
Entwicklung und Anwendung von Hochtemperatur- Großwärmepumpen

Martin Schichtel, Kraftblock GmbH:

Thermische Energiespeicher - Dekarbonisierung von Hochtemperatur

Moderation: Martin Kleimaier, VDE ETG


Erfahrungen aus realisierten Vorhaben - Best Practice als Orientierungswissen

14. Dezember 2023, 16:30-18:30 Uhr

Marcus Honke, ILK Dresden: Eisspeicher – Kristallisationsenergie und technische Herausforderungen; Eisspeicher zur Lastspitzenkappung im RZ der Uni Göttingen

Clara Büttner, HS Flensburg:
Power-to-Heat als Flexibilität für das Energiesystem – Ergebnisse des open-source Projekts eGon

Tom Brand, Solites - Steinbeis Innovation gGmbH:
Entwicklung hocheffizienter Erdbecken-Wärmespeicher für Wärmenetze

Moderation: Frank Mattioli, EFZN

 

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