Strategien zur Wärmewende: Sektorenkopplung und Steigerung der Energieeffizienz
07. Dialogplattform Power-to-Heat am 29. und 30. November 2021 als Online-Veranstaltung
Veranstaltungsort ist traditionell die Niedersächsische Landesvertretung, Berlin.
Tagungsbericht von Dr.-Ing. Martin Kleimaier, VDE/ETG
Strategien zur Wärmewende, Sektorenkopplung und Steigerung der Energieeffizienz wurde als Thema für die 07. Dialogplattform Power-to-Heat gewählt, die am 29. und 30. November stattgefunden hat. Trotz der coronabedingten Unsicherheiten hat der Call for Papers wieder ein breites Interesse gefunden. Die ursprünglich als Präsenzveranstaltung in der Niedersächsischen Landesvertretung beim Bund in Berlin geplante Veranstaltung musste jedoch auf Grund der absehbaren coronabedingten Einschränkungen kurzfristig wieder in ein Online Format abgeändert werden.
Die wissenschaftlichen Tagungsleiter Dr.-Ing. Jens zum Hingst (CUTEC Forschungszentrum der TU Clausthal und Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN)) und Dr.-Ing. Martin Kleimaier (Energietechnische Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE ETG)) konnten mit tatkräftiger Unterstützung des Programmausschusses (Prof. Dr.-Ing. Christoph Pels Leusden, Berliner Hochschule für Technik, Frank Mattioli, EFZN, Gunter Rockendorf, Dr.-Ing. Serafin von Roon, FfE) aus den eingereichten Beiträgen wieder ein interessantes Programm zusammenstellen. Aufgrund des Online-Formats hatten wir uns entschieden, die Dauer auf zwei halbe Tage mit insgesamt vier Themenblöcken zu beschränken.
Etwa 160 Teilnehmende hatten sich zu der auch in diesem Jahr wieder kostenfrei angebotenen Veranstaltung angemeldet – darunter auch wieder viele Personen, die uns bei der Dialogplattform Power-to-Heat seit mehreren Jahren die Treue halten. Dies bestätigt, dass das Thema Wärmewende – und dabei insbesondere die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen – inzwischen entsprechend der Dringlichkeit und des großen Hebels der Defossilisierung des Wärmesektors wahrgenommen wird. Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird das Ziel vorgegeben, bis zum Jahr 2030 im Wärmesektor den Anteil der erneuerbaren Energien auf 50% zu steigern. Bislang stagnierte dieser Anteil während fast einer Dekade bei unter 15% und wurde zu etwa 75% durch biogene Festbrennstoffe erreicht.
Technik für Gebäude und Quartiere
Im ersten Block wurden unter dem Thema „Technik für Gebäude und Quartiere“ verschiedene Optionen vorgestellt und diskutiert. Dabei ging es auch um den Vergleich von direkter Sektorenkopplung mit Power-to-Heat (PtH) und indirekter Sektorenkopplung durch die Nutzung von elektrolytisch mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugtem „Grünen Wasserstoff“ (Power-to-Gas, PtG). Während sich mit den aufwändigen und teuren Verfahren über PtG nur ein Nutzungsgrad des eingesetzten erneuerbaren Stroms von etwa 70 % erreichen lässt, ist selbst mit simplen und kostengünstigen Heizwiderständen ein Nutzungsgrad von annähernd 100% möglich. Noch effizienter gelingt dies mit elektrischen Wärmepumpen, die durch eine Rückgewinnung von Wärme aus der Umwelt einen Nutzungsgrad von 400% und mehr ermöglichen. Allerdings können PtH-Verfahren selbst unter Nutzung von Wärmespeichern üblicherweise nur einen Ausgleich über Stunden und allenfalls wenige Tage ermöglichen, wohingegen Wasserstoff oder ein daraus hergestellter synthetischer Brennstoff sich nahezu beliebig lange speichern lässt, um dann genutzt zu werden, wenn Strom aus erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung steht. Daher ist es sinnvoll, hybride Systeme einzusetzen, die in Abhängigkeit vom EE-Dargebot auf beide Optionen zurückgreifen können. Dies wurde zum Beispiel in der Wind-und-Wärme-Modellregion F.-W.-Lübke-Koog umgesetzt; die Betriebserfahrungen sind dabei prinzipiell vielversprechend – allerdings fehlen für einen wirtschaftlichen Betrieb die notwendigen Rahmenbedingungen.
Mit sinkenden EEG-Einspeisevergütungen und insbesondere bei PV-Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung fallen, wird die Eigennutzung des selbsterzeugten Stromes immer wichtiger. In einem Beitrag wurde daher auch die Kombination von Elektrospeicherheizungen und PV-Anlagen vorgestellt. Dies stellt im Vergleich zu Batteriespeichern eine effiziente und kostengünstige Option dar. Auch die Nutzung der „schweren Gebäudemassen“ für die Wärmespeicherung, ggf. unterstützt durch zusätzliche Wärmespeicher ermöglicht die Aufnahme und Speicherung erneuerbarer Energien. Bevorzugt sollte dies in gut gedämmten Gebäuden umgesetzt werden. Da in dem vorgestellten Projekt der erneuerbare Strom aus dem Netz bezogen wird, müssten für einen wirtschaftlichen Betrieb auch hier erst noch die passenden regulatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Wärmepumpen
In einem zweiten Block wurden dann insbesondere neue Entwicklungen im Bereich Wärmepumpen vorgestellt. Damit wurde demonstriert, dass sich mit Wärmepumpen auch höhere Temperaturbereiche erschließen lassen, so dass diese auch für gewerbliche und industrielle Anwendungen eingesetzt werden können. In einem Beitrag wurde auch die Belastung von elektrischen Niederspannungsnetzen in Wärmepumpen-Quartieren thematisiert. Hier konnte gezeigt werden, dass sich durch eine geeignete Steuerung eine deutliche Verbesserung gegenüber einem ungesteuerten Betrieb erreichen lässt.
Weitere Projekte
Im dritten Block wurden weitere Projekte vorgestellt. In zwei Projekten wurden hybride Konzepte aus Batteriespeicher und Wärmespeicher realisiert, allerdings für ganz unterschiedliche Einsatzfälle. In einem Projekt in Bremen wurde diese Kombination für die Primärregelleistung eingesetzt. Nachdem die Preise für die die Bereitstellung von Primärregelleistung in den letzten Jahren stark eingebrochen waren, zeigt die aktuelle Preisentwicklung wieder nach oben, so dass sich hier wieder ein attraktives Geschäftsmodell ergeben könnte. In dem anderen Projekt wurde ein hybrides Konzept vorgestellt, bei der die Versorgung der Gemeinde Fuchstal in Bayern mit einer Windkraftanlage optimiert werden konnte.
Bei der Vorstellung des Projekts „QUARREE100“, das in Heide in Schleswig-Holstein realisiert wird, wurde besonders deutlich, dass die aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen die größte Hürde bei der Realisierung von PtH-Projekten darstellen: hier musste allein aus regulatorischen Gründen parallel zu dem bestehenden öffentlichen Stromverteilungsnetz ein separates Stromnetz aufgebaut werden, um einerseits ein Blockheizkraftwerk und PV-Anlagen als auch einen Elektrolyseur und Wärmepumpen anschließen zu können, obwohl das öffentliche Netz hierfür keine technisch notwendigen Restriktionen aufweist. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gibt, um derartig aufwändige Sonderwege in Zukunft zu vermeiden.
Regulatorische Rahmenbedingungen
Daher wurde in einem vierten Block auf das in fast allen Beiträgen angesprochene Problem der ungeeigneten regulatorischen Rahmenbedingungen nochmals explizit eingegangen. Hier muss dringend nachgebessert werden, damit PtH gegenüber einer Wärmeerzeugung auf Basis fossiler Energieträger konkurrenzfähig wird. Neben der Anpassung der Rahmenbedingungen muss jedoch der Ausbau bei PV und Windenergie beschleunigt und deutlich gesteigert werden, damit ausreichend erneuerbare Energie für alle Anwendungen der Sektorenkopplung zur Verfügung steht.
Impulspapier "Wärmewende jetzt!"
Zum Abschluss wurde noch das aktuelle Impulspapier „Wärmewende jetzt!“ vorgestellt, das gemeinsam von VDE ETG und EFZN erstellt wurde und das die unterschiedlichen Aspekte der dringend erforderlichen Transformation des Wärmesektors zusammenfasst. Das Papier steht hier > als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.
Fazit
Das Interesse der Teilnehmenden war bei allen Vorträgen sehr hoch. Dies wurde insbesondere durch die Fragen und Kommentare im Chat bestätigt. Die Antworten wurden von den Referenten entweder direkt gegeben oder auch wieder im Chat nachgereicht. Auch zwischen den Teilnehmenden hat im Chat ein reger Gedankenaustausch stattgefunden. In der am Ende angebotenen Podiumsdiskussion wurde sowohl zwischen den Referenten als auch mit den Teilnehmenden nochmals lebhaft diskutiert. Die 07. Dialogplattform wird damit – trotz der coronabedingten Einschränkungen – sowohl von den Teilnehmenden als auch von den Veranstaltern wieder als voller Erfolg gesehen. Daher soll es auch eine Neuauflage einer Veranstaltung zu diesem Themenkomplex geben. Die 08. Dialogplattform soll Ende 2022 – dann hoffentlich wieder mit persönlichen Gesprächen – als Präsenzveranstaltung in Berlin stattfinden. Geplant ist auch wieder die Beteiligung aus der Politik. Dort wird dann sicher darüber diskutiert werden, wie es unter der neuen Regierung mit der Umsetzung der ehrgeizigen Ziele voran geht.
Kontakt:
Dr.-Ing. Martin Kleimaier
Energietechnische Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE ETG)
E-Mail: etg@vde.com