Vertrauenswürdige Digitalisierung sicherheitskritischer Energiesysteme
Photovoltaikanlagen, Wallboxen und Wärmepumpen gehören inzwischen in vielen Haushalten zum Alltag – die Energiewende wird zunehmend Teil des normalen Lebens. Digitale Prozesse und Software-Agenten übernehmen die Aufgabe, Erzeugung, Speicherung und Verbrauch automatisiert und vorausschauend zu koordinieren – nicht nur im privaten Haushalt, sondern auch auf Quartiers- und Netzebene. Sie bändigen die wachsende Komplexität eines regenerativen Energiesystems und agieren als Vermittler zwischen teils widersprüchlichen Interessen: individuell, wirtschaftlich, ökologisch oder systemdienlich.
Damit diese digitalen Systeme nicht nur effizient, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert arbeiten können, braucht es vor allem eines: Vertrauen. Denn wo Entscheidungen automatisiert getroffen werden, wollen Menschen nachvollziehen können, worauf diese beruhen – und wessen Interessen sie vertreten. Und auch die Systeme selbst müssen einander vertrauen, um effektiv miteinander interagieren zu können.
Das zeigt sich auch in dem innovativen inter- und transdisziplinären Ansatz der Forschungsplattform: Technisch-naturwissenschaftliche Energieforschung verschränkt sich hier wie auch in den anderen TEN.efzn-Vorhaben mit sozialwissenschaftlicher Transformationsforschung. Zudem geht es bewusst nicht nur um Grundlagenforschung; praktische Umsetzung und Transfer werden direkt mitgedacht. Ziel ist es, ein umfassendes Vertrauensmodell zu entwickeln, das künftige Nutzer:innen von Beginn an einbezieht und als Grundlage für ein autonomes, hochskalierbares, sicheres und resilientes Energiesystem dient.

Die wichtigsten Forschungsziele im Überblick
Interdisziplinäre Konzeption eines umfassenden digitalen Vertrauensmodells, das technische und soziale Perspektiven und Bedürfnisse miteinander verbindet
Partizipative Weiterentwicklung und Erprobung des Vertrauensmodells in einem städtischen Reallabor – in Zusammenarbeit mit den Bewohner:innen des Stadtquartiers Helleheide in Oldenburg
Entwicklung eines Prototyps für ein vertrauenswürdiges, selbstorganisierendes, digitales Energiemanagementsystem
Innovationsbereiche
Innovationsbereich I - Integriertes Trust Modell
Sowohl im technischen als auch im sozialwissenschaftlichen Bereich gibt es Definitionen und Modelle für Vertrauen. Diese müssen in einen integriertes, multiperspektivisches Vertrauensmodell überführt werden.
Innovationsbereich II - Soziologisch reflektierte Quartiersenergiemanagementsysteme
Die Entwicklung von Energiemanagementsystemen findet gegenwärtig in der Regel ohne eine Betrachtung der Wechselwirkung zwischen technologischen Systemen und sozialen Dynamiken statt. Ziel ist die Entwicklung einer Energiemanagement (EMS)-Plattform auf Basis einer gemeinsamen Trust-Modellinstanz.
Innovationsbereich III - Vertrauenswürdige Selbstorganisation
Individual-psychologische und soziale Werte müssen einbezogen werde, um Transparenz und Vertrauen in das zuverlässige Funktionieren eines Agentensystems, das Teile einer kritischen Infrastruktur überwacht und steuert, zu schaffen, um eine vertrauenswürdige Digitalisierung relevanter Prozesse in Verteilnetzen zu realisieren.
Innovationsbereich IV - Technische Gelingensbedingungen und Umsetzung
Der Betrieb zukünftiger Stromverteilnetze wird von einer Vielzahl von EE-Anlagen und regelbaren Verbrauchern (z. B. E-Autos) sowie der Digitalisierung bestimmt. Netzteilnehmende können aktiv an der Energiewirtschaft teilnehmen. Neue Nutzungs- und Regelungskonzepte können Systemeffizienzen heben und Wirtschaftlichkeit ermöglichen.
Innovationsbereich V - Nicht-Technische Gelingensbedingungen und Umsetzung
Wie gelingt es, Quartiersenergiesysteme so zu gestalten, dass eine langfristige, vertrauensvolle Kooperation und soziale Gemeinschaft erfolgreich entsteht? Nicht-technische Gelingensbedingungen müssen von Anfang an kontinuierlich bei der Entwicklung eines multiperspektivischen und integrierten Trust-Gesamtmodells für Energiemanagement-Systeme analysiert und mit der Erforschung der technischen Gelingensbedingungen eng verzahnt werden.
Beteiligte Institutionen
Die Plattform wurde beantragt durch
- Technische Universität Braunschweig
- Technische Universität Clausthal
- Leibniz Universität Hannover
- Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
gemeinsam mit
- Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt - Institut für Vernetzte Energiesysteme
- OFFIS - Institut für Informatik e.V.
- Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e. V. an der Georg-August-Universität Göttingen
Sprecher:innen
Prof. Dr.-Ing. Astrid Nieße
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, OFFIS e.V.
Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, OFFIS e.V.
Koordination
Dr.-Ing. Sven Rosinger
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, OFFIS e.V.