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Wasserstoff trifft Druckluft

efzn-Innovationslabor H2-ReNoWe erforscht CO₂-neutrale Zukunft des Speicherkraftwerks Huntorf.

Im Innovationslabor „Wasserstoffregion Nord-West-Niedersachsen“ (kurz H2-ReNoWe) wurde untersucht, wie das Druckluftspeicherkraftwerk Huntorf (Wesermarsch) mittelfristig in eine CO2-vermeidende Betriebsweise überführt werden kann. Hierzu wurde das zusätzliche Wertschöpfungspotenzial durch Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff unter Verwendung von erneuerbarem Strom aus der Region untersucht. Im Interview berichten die Projektbeteiligten Prof. Dr.-Ing. Ines Hauer von Technischen Universität Clausthal und Thomas Poppinga vom DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme von der Arbeit und den Erkenntnissen des von 2021-2024 geförderten Projekts.


Das Innovationslabor H2-ReNoWe hat sich ja sehr praxisnah mit dem Kraftwerk Huntorf beschäftigt, das ein weltweit an nur zwei Orten verwendeter und damit recht einzigartiger Typ von Speicherkraftwerk ist. Könnten Sie erläutern, was das Kraftwerk so besonders macht und wie es prinzipiell funktioniert?

Ines Hauer: Die elektrische Energie aus überschüssig erzeugtem Windstrom bzw. bei damit einhergehenden niedrigen Energiepreisen wird im Druckluftspeicherkraftwerk genutzt, um Luft zu komprimieren, welche dann in Salzkavernen gespeichert wird. Bei Energiebedarf bzw. hohen Energiepreisen wandelt das Kraftwerk die mechanische Energie der komprimierten Luft in elektrische Energie um, wobei Erdgas zugeführt werden muss. Das Speicherkraftwerk ist somit generell in der Lage das regionale Netz zu stabilisieren und den erneuerbaren Ertrag aus Windenergie zu steigern.

Durch den Erdgasbedarf im Ausspeicherprozess entstehen lokal CO2-Emissionen. Um diese zu vermeiden, haben wir in diesem Projekt umfangreich untersucht, ob und unter welchen Bedingungen das konventionelle Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden kann.

Thomas Poppinga: Zur interdisziplinären Bewertung des Potentials einer technischen Umrüstung wurden die relevanten Schritte der erweiterten Funktionsprozesse des Druckspeicherkraftwerkes analysiert. Dazu gehören die Studie der umgebenden Netzstrukturen auf zukünftigen Bedarf an Flexibilität und ebenso der erhoffte Einfluss auf die unterschiedlichen Netzsituationen.  Insbesondere die Stromversorgung des Elektrolyseurs und der resultierende Netzrückwirkungen wurden analysiert und auf technologischer Ebene weiterführend eine optimierte dynamische Betriebsstrategie eines Elektrolyseurs am Standort entwickelt.

Ines Hauer: Alle Arbeiten der Partner flossen in eine Betriebssimulation des Gesamtkraftwerks Huntorf ein, die auf Basis von Daten aus 30 Jahren Kraftwerksbetrieb erstellt wurde. Anhand zweier entwickelter Szenarien erfolgte schließlich die Bewertung des Konzepts in den Elementen Druckluftspeicher, Wasserstoffbereitstellung, -speicherung und -verbrennung sowie Auslegung von Elektrolyseleistung, Kapazität des Wasserstoffspeichers und Bewertung von Betriebsstrategien hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Netzdienlichkeit.

Die Untersuchungen zeigen, dass ein CO2-freies Wasserstoff-Druckluftspeicherkraftwerk wirtschaftlich betrieben werden kann, wenn es an mehreren Energiemärkten gleichzeitig teilnimmt und Preisschwankungen am Day-Ahead Markt weiter steigen.

Was waren hierbei aus Sicht des Projektteams die wichtigsten Erkenntnisse? Und was hat Sie alle besonders überrascht oder begeistert?

Thomas Poppinga: Das Konzept ist vielversprechend für Standorte mit Erzeugungsüberschuss, Anschluss an das 380-kV-Netz und Zugang zum Wasserstoff-Markt, um die Flexibilität eines derartigen Speicherkraftwerkes optimal zu nutzen.

Es haben sich zudem alle technologisch bedingten Prozesse des Konzeptes als durchführbar belegen lassen. Die am Standort zur Erdgasversorgung der Turbine genutzte Speicherkaverne kann grundsätzlich in eine Wasserstoffspeicherkaverne umgerüstet werden. Standardturbinen können grundsätzlich mit Wasserstoff betrieben werden. Elektrolyseure lassen sich für einen flexiblen Betrieb optimieren und in seiner Netzauswirkung kann das Speicherkraftwerk zur Stabilität und zur Erhöhung der Nutzung volatil erzeugter Energie beitragen.

Ines Hauer: Die Zusammenführung der disziplinären Ergebnisse ermöglichte die Simulation einer zielführenden Betriebsführung und spiegelte interdisziplinär bedingte Anforderungen zurück, die auf der Basis den flexiblen Einsatz von Elektrolyseur, Turbine sowie Ein- und Ausspeicherung von Wasserstoff in der Kaverne und deren Einfluss auf das elektrische Netz detaillierter untersuchen ließen. Mit der betriebswirtschaftlichen Analyse wurden darüber hinaus betriebsbezogene Geschäftsmodelle in unterschiedlichen Szenarien benannt. Damit hat das Projekt seine Zielsetzung durch ein gemeinsames Ergebnis erreicht.

Kann der Umbau des Kraftwerks auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich vollzogen werden?

Thomas Poppinga: Das Projekt hat die technologische, gebirgsmechanische und ökonomische Machbarkeit nach vorhandener Datengrundlagen erarbeitet und analysiert. Ein Kraftwerksbetreiber hat allerdings weitergehende Analysen vorzunehmen, um seine langfristigen Entscheidungen ökonomisch verantwortungsvoll treffen zu können. 

Hohe Investitionen in eine Umrüstung auf Wasserstofferzeugung eines rentabel funktionierenden Speicherkraftwerks im laufenden Betrieb bei noch anzubindender Infrastruktur und ohne passenden Absatzmarkt sind eine komplexe ökonomische Entscheidung, die sich nicht allein aus der Machbarkeit ergibt.

In Niedersachsen existieren weitere Kavernen in Regionen mit hoher Windstromerzeugung, die sich nach den Projektergebnissen für den Aufbau von Wasserstofferzeugung und Speicherung eignen können und somit Investitionen in einen direkten Aufbau von Wasserstoff-Infrastruktur darstellen würden.

Über die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien

Die Wissenschaftsallianz Wasserstofftechnologie bündelt unter dem Dach des efzn die Kompetenzen der Wasserstoffforschung in Niedersachsen und hat sich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Potenziale von grünem Wasserstoff in Energie, Mobilität und Industrie zu erforschen und nutzbar zu machen. 

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur förderte zu diesem Zweck aus dem Niedersächsischen Vorab (heute: zukunft.niedersachsen) von 2021-2024 die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien, in denen Wissenschaft und Praxisakteure gemeinsam Lösungen zu den zentralen wissenschaftlichen, technologischen und ökonomischen Herausforderungen erarbeiteten und dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Technologieentwicklung und Marktdurchdringung von Wasserstoff leisten konnten.

Speichertechnologien sind ja für ein auf regenerativen Energien basierendes Energiesystem sehr wichtig. Kann das im Innovationslabor umgeplante Kraftwerk Huntorf als Vorbild oder gar Blaupause für weitere solcher Speicherkraftwerke dienen?

Ines Hauer: Ein Netzausbau ist angesichts der zunehmenden Installation von Offshore-Windparks und den anlandenden Leitungen notwendig, doch eine grundsätzlich flexibilisierende Lösung für das Gesamtsystem ist die mittel- bis langfristige Speicherung von Energie aus temporär überhöhter Windstromerzeugung, gekoppelt mit der Option zur Rückverstromung dieser Energie bei Bedarf. Das ist besonders für die befürchteten Dunkelflauten von hoher Relevanz.

Thomas Poppinga: Für Niedersachsen mit seinen ausgeprägten Windregionen und den besonderen Vorkommen von Salzstöcken und Salzkavernen ist das Konzept vermutlich auf andere Standorte zu übertragen.

Was sind die Vor- und Nachteile dieses Typs von Speicherkraftwerk, etwa im Vergleich zu Batteriespeichern? Welchen spezifischen Anwendungszweck erfüllt das Kraftwerk im zukünftigen Energiesystem?

Ines Hauer: Wir erwarten gerade einen starken Zubau an Batteriespeichersystemen. Diese Technologie zeichnet sich durch hohe Effizienz und schnelle Reaktionszeiten aus und dient in erster Linie dazu, Energie kurz- und mittelfristig, d.h. für mehrere Tage zwischenzuspeichern. Um überschüssige Energie langfristig insbesondere aber für längere kalte Dunkelflauten (windstille Zeiten im Winter) zwischenzuspeichern, sind diese Speichertechnologien aufgrund ihrer kurzen Ausspeicherdauer ungeeignet. Für diese Langzeitspeicherung ist die Speicherung in Form von Wasserstoff zielführend. 

Unsere Druckluftspeichertechnologie kann mit Hilfe des Wasserstoffs als Mittel– und Langzeitspeicher arbeiten und damit die begrenzende Dunkelflaute bedienen. Das erfolgt allerdings auf Kosten höherer Verluste im Gesamtspeicherprozess im Vergleich zu Batterien. Bei einmal erfolgter Investition relativiert eine Lebensdauer, wie sie das Speicherkraftwerk Huntorf besitzt, die Frage nach der Effizienz in den direkten Speicherprozessen. Am Ende benötigt man netzstabilisierende Wirkung, Speicherung im Mittel- und Langfristbereich sowie erhöhte Ausbeute von Windenergieanlagen. Dabei nehmen die verschiedenen Speichertechnologien unterschiedliche Aufgaben ein und jede hat für bestimmte Anwendungsfälle ihre Vorteile.

Lassen sich diese speziellen Speicherkraftwerke, die ja etwa unterirdische Kavernen zur Druckluftspeicherung erfordern, überhaupt an vielen Stellen in Niedersachsen, Deutschland oder gar weltweit bauen? Oder bleibt der Kraftwerktyp allein standortbedingt ein „Exot“?

Thomas Poppinga: In Europa gibt es in keinem anderen Gebiet ein derart gehäuftes Vorkommen geeigneter geomechanischer Strukturen wie an den südlichen Küstenbereichen von Nord- und Ostsee, also von Polen bis in die Niederlande und in den dort angrenzenden Seegebieten. Niedersachsen besitzt somit ein deutliches Alleinstellungsmerkmal für die Nutzung von Salzkavernen. Zusätzlich wird dieser Vorteil durch die Lage innerhalb der europäischen Strom- und Gasnetze begünstigt.

Wenn man eine andere Speichermöglichkeit in ähnlicher Dimensionierung findet, wäre das grundsätzliche Prinzip nicht an die Vorkommen von geeigneten Salzkavernen gebunden. Tatsächlich gibt es auch in anderen europäischen Ländern ohne Salzkavernen Interesse an Druckluftspeicherkraftwerken, die als Alternative oft Drucklufttanks verwenden.

Was ist ihr Gesamtfazit zum Innovationslabor? An welchen Aspekten würden Sie gerne noch weiterforschen? 

Thomas Poppinga: Die Resultate ermöglichen die Spezifizierung der disziplinären Untersuchungen in sich anschließende Forschungsfragen zu erforderlichen Anpassungen sowie Weiterentwicklungen verwendeter Technologien oder Integrationskonzepten und finden bereits in weiteren Forschungsprojekte der beteiligten Institute Anwendung. 

Ines Hauer: In dem Projekt H2Cast beteiligen sich die TU Clausthal und das DLR in Etzel gezielt mit der Anpassung und Umrüstung einer Kaverne sowie relevanter oberirdischer Anlagen auf Speicherung von Wasserstoff. An der TUC beschäftigen wir uns weiterhin mit der Integration von Elektrolyseuren in die Netze und der Wasserstoffverbrennung, z.B. im Star Projekt. Ein direktes Folgeprojekt ist bisher nicht unmittelbar entstanden.

Hervorzuheben ist besonders die effektive und überaus erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen und Instituten. Hierdurch wurde eine hohe Belastbarkeit der Forschungsergebnisse sichergestellt und die Projektarbeit durch die Arbeit an einem konkreten System mit dem notwendigen, zahlreichen (Wissens-)Austausch beflügelt. Die Kooperation der Institute wurde deutlich belebt und gestärkt.
 

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Prof. Dr.-Ing. Ines Hauer und Thomas Poppinga erläutern im Interview die Forschungsarbeit des Innovationslabors rund um das Druckspeicherkraftwerk und dessen klimaneutrale Umgestaltung auf der Basis von grünem Wasserstoff. Fotos: © TU Clausthal | © Privat

Außenansicht des Forschungsobjekts: Das Druckspeicherkraftwerk Huntorf in der Wesermarsch. Foto: © Uniper Kraftwerke GmbH