„Brennpunkt“ Wasserstoff
efzn-Innovationslabor „WaVe“ zeigt, dass nachhaltige und saubere Nutzung von grünem Wasserstoff mittels Verbrennung möglich ist.
Im Innovationslabor „Nachhaltige Wasserstoff-Verbrennungskonzepte“ (WaVe) ging es darum, eine Nutzung von regenerativ erzeugtem grünem Wasserstoff zu erforschen, die vollkommen CO2-frei und damit treibhausgas-neutral ist. Die Verbrennung von Wasserstoff ist fast vollständig schadstofffrei und damit ebenso umweltschonend wie die Nutzung von Wasserstoff in Brennstoffzellen, dabei aber je nach Einsatzbereich deutlich kostengünstiger und robuster. Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker von der Leibniz Universität Hannover als Sprecher des Innovationslabors und Prof. Dr.-Ing. Karsten Oehlert von der Jade Hochschule am Campus Wilhelmshaven blicken im Interview auf die Ergebnisse des Innovationslabors und zeigen Zukunftsperspektiven auf.
Herr Prof. Dr. Dinkelacker, im Innovationslabor „WaVe“ haben Sie gleich mehrere Forschungsbereiche untersucht. Wie ist die Idee zu diesen Projekten entstanden und was waren die Besonderheiten in diesem Innovationslabor?
Die direkte Verbrennung von Wasserstoff wurde noch vor wenigen Jahren als kaum zukunftsfähig eingeordnet, zum einen weil Verbrennung als generell schädlich für die Umwelt angesehen wurde, zum anderen aufgrund des unvermeidbaren Auftretens von NOx-Emissionen bei herkömmlichen Hochtemperaturprozessen. Entgegen dieser damals verbreiteten Ansicht haben wir vor rund vier Jahren unsere Projekte für die Initiative der Innovationslabore des efzn vorgeschlagen, getragen von der grundsätzlichen Überzeugung, dass sich die Wasserstoffverbrennung durch intelligente Konzepte, neuartige Bauteile und optimierte Prozessführung nahezu ebenso nachhaltig gestalten lässt wie eine beispielsweise Nutzung von Wasserstoff in Brennstoffzellen.
Erste Ansätze wurden bereits 2018 im Kreis einiger Projektbeteiligter intensiv diskutiert, sodass schnell deutlich wurde, dass sich die Innovationslabore ideal dafür eignen, dieses Zukunftsthema in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken. Zwar war es notwendig, erhebliche Überzeugungsarbeit zu leisten, um die anfängliche Skepsis gegenüber der Machbarkeit und Umweltverträglichkeit zu überwinden, doch schlussendlich konnten wir unseren wissenschaftlichen Ansatz einbringen und entscheidend weiterentwickeln.
Heute sehen wir, dass eine nachhaltige und saubere Nutzung von grünem Wasserstoff mittels Verbrennung möglich ist und diese für verschiedene Nutzungsbereiche sehr große Vorteile haben kann.
Eine Frage an Sie beide: Wie wurden die drei Teilbereiche des Innovationslabors definiert und wie kam es zu den gewählten Schwerpunkten?
Dinkelacker: Die drei Teilbereiche wurden auf der einen Seite als Antwort auf diese Zukunftsfragen und auf der anderen Seite als geschickte Bündelung der Forschungskompetenzen der beteiligten Partnerinstitutionen definiert. Dabei war es von zentraler Bedeutung, die bereits vorhandene wissenschaftliche Infrastruktur in Niedersachsen effizient zu nutzen und Synergien zwischen den Akteuren optimal auszuschöpfen. Zudem gab es bereits im Vorfeld etablierte Kontakte zwischen den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sodass auf einem fruchtbaren Fundament laufender Diskussionen aufgebaut werden konnte. Alle Beteiligten vereinte dabei das gemeinsame Streben nach innovativen Lösungen.
Oehlert: Die thematischen Ausrichtungen des Projekts sind zudem in einen breiteren historischen und industriellen Kontext eingebettet: Viele der heutigen Fragestellungen lassen sich auf erste Reaktionen der Forschung auf die Energiekrise der 1970er Jahre zurückführen. Gleichzeitig ist in der Industrie, insbesondere im Bereich der Turbinenhersteller, ein wachsendes Interesse an „H2 Ready“-Technologien zu beobachten. Obwohl die Wasserstoffverbrennung bereits deutliche Fortschritte erzielen konnte, stellen NOx-Emissionen infolge hoher Verbrennungstemperaturen weiterhin eine zentrale Herausforderung dar. Hier wollten wir ansetzen und mit der Entwicklung eines neuen Brenners eine sehr saubere Verbrennung bei moderaten Temperaturen ermöglichen.
Dinkelacker: Im Motorenbereich haben wir deshalb einen Ansatz für hochaufgeladene, magere Verbrennungskonzepte vorgeschlagen, um eine robuste und wirtschaftliche Alternative zu den vergleichsweise anfälligen und kostenintensiven Brennstoffzellen im Nutzfahrzeugsektor zu entwickeln, was uns im Rahmen unserer Forschung auch gelungen ist. Dieser Wasserstoffmotor ist relativ einfach im Aufbau und wenig anfällig für Störungen oder Schäden. Da der Wasserstoffmotor auch noch leichter ist als ein batteriebasierter E-Antrieb oder eine Brennstoffzelle, erhöhen sich die Nutzlasten des Fahrzeugs.
Über die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien
Die Wissenschaftsallianz Wasserstofftechnologie bündelt unter dem Dach des efzn die Kompetenzen der Wasserstoffforschung in Niedersachsen und hat sich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Potenziale von grünem Wasserstoff in Energie, Mobilität und Industrie zu erforschen und nutzbar zu machen.
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur förderte zu diesem Zweck aus dem Niedersächsischen Vorab (heute: zukunft.niedersachsen) von 2021-2024 die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien, in denen Wissenschaft und Praxisakteure gemeinsam Lösungen zu den zentralen wissenschaftlichen, technologischen und ökonomischen Herausforderungen erarbeiteten und dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Technologieentwicklung und Marktdurchdringung von Wasserstoff leisten konnten.
Die Bereitstellung von flexibler Primärregelleistung stand in einem der Projekte im Fokus. Warum ist diese so wichtig und welche Rolle kann grüner Wasserstoff dabei spielen, Herr Oehlert?
Primärregelleistung dient dazu, auf Schwankungen im Netz zu reagieren. Mit ihr wird eine kurzfristige Stabilisierung der Frequenz für mehrere Minuten möglich. Wind- und Sonnenenergie sind immer Schwankungen unterworfen und mit dem Wegfall von Kohle- und Kernkraftwerken müssen neue und flexible Wege gefunden werden, den wachsenden Bedarf an Primärregelleistung zu decken. Das Teilprojekt „Wasserstoffbasierte Bereitstellung von flexibler Primärregelleistung in thermischen Kraftwerken“ verfolgte den Ansatz, Wasserstoff mit Sauerstoff direkt im Wasser-Dampf-Kreislauf eines Gas-und-Dampf-Kraftwerks zu verbrennen, um die Turbinenleistung kurzfristig zu erhöhen.
Lange Zeit hat man von der direkten Verbrennung von Wasserstoff in solchen Kraftwerken Abstand genommen, weil die NOx-Emissionen zu hoch waren. Wir haben einen kleinen, leistungsfähigen Brenner entwickelt, der flexibel und schnell eine Dampfturbine antreiben kann. Bei diesem innovativen Dreistoffbrenner werden Wasserstoff und Sauerstoff zusammen mit Wasser in eine sehr saubere Verbrennung bei moderaten Temperaturen gebracht. Hier gibt es eine große Anzahl weiterer Anwendungsbereiche und wir planen in Folgeprojekten, von denen einige schon in der Antragsphase sind, beispielsweise die flexible Rückverstromung von erzeugtem Wasserstoff in Reservekraftwerken zu untersuchen. Auch andere Themen, wie die meerwasserbasierte Elektrolyse, können mit so einem Brennverfahren weiterentwickelt werden.
Ein Teilprojekt hatte die Zukunft der Gaskraftwerke in unserem Energiemix im Blick. Welche Erkenntnisse wurden aus Ihrer Sicht dort gewonnen, Herr Dinkelacker?
Gasturbinen-Verbrennungsprozesse mit Wasserstoff oder Methan/Wasserstoff-Gemischen haben die Kollegen an der TU Clausthal experimentell und mittels Berechnungsverfahren im Teilprojekt „Substitution von Erdgas mit Wasserstoff im Kraftwerk Huntorf“ untersucht. Die Industrie ist an diesen Prozessen sehr stark interessiert, weil in der Realität der Energieversorger eine komplexe Lage entsteht. Teilweise laufen schon Testphasen, um ganze Gasnetze oder einzelne Kraftwerke auf Wasserstoff umzustellen. Auch der Gesetzgeber hat diesen Prozess beschleunigt, weil bei neuen Projekten immer häufiger Turbinen eingesetzt werden sollen, die auch für den Betrieb mit Wasserstoff vorbereitet sind – sogenannte H2-Ready-Turbinen.
Wir verstehen unser Projekt hier als einen Beitrag zu einem sehr dynamischen Forschungsfeld, bei dem die praktische Umsetzbarkeit enorm wichtig ist. Wie schon erwähnt, ist eines der Kernprobleme, die es zu lösen gilt, die steigende Temperatur bei der Beimischung von Wasserstoff im Verbrennungsprozess und die daraus resultierende Emission von Stickoxiden, die wir kontrollieren und reduzieren müssen. Im Projekt wurde jetzt dafür eine sehr gute Datenbasis geschaffen.
Was sind die besonderen Eigenschaften und Vorteile des neuartigen Wasserstoffmotors, der im Teilprojekt „Schadstoffarme und effiziente Wasserstoffmotoren“ entwickelt wurde?
Im Rahmen unseres dritten Teilprojekts wurde ein Konzept für einen innovativen Wasserstoffmotor entwickelt, der durch seine vollständige Schadstofffreiheit neue Maßstäbe für den Einsatz von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren setzt.
Ein zentraler Vorteil des neuartigen Konzeptes ist die sogenannte Abmagerung, das heißt die Verbrennung mit einem hohen Luftüberschuss. Durch diese extrem magere Betriebsweise werden Stickoxidemissionen (NOx) deutlich gesenkt, was gerade im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Emissionsgrenzwerte entscheidend ist. Zusätzlich ermöglicht eine spezielle Vorkammerzündung eine besonders zuverlässige und effiziente Verbrennung auch bei sehr mageren Gemischen. Diese Technologie würde ausreichen, dass selbst für die strengsten Abgasnormen, wie sie unter anderem von der kalifornischen Umweltbehörde CARB gefordert werden, auf eine aufwendige Abgasnachbehandlung verzichtet werden kann.
Um eine hohe Leistungsdichte zu erreichen, wird der Wasserstoff direkt in den Brennraum eingeblasen. Dies unterstützt eine schnelle und effiziente Verbrennung und steigert die Gesamtleistung des Motors. Ein weiteres Kernstück des Projektes ist ein neu entwickeltes zweistufiges Aufladesystem, das speziell für einen dynamischen Betrieb ausgelegt wurde. Hierbei kommt ein axialer eBooster zum Einsatz, der in Kombination mit einem Turbolader für eine optimale Luftversorgung sorgt und das Ansprechverhalten maßgeblich verbessert.
Wie sind die Reaktionen der Industrie auf diese Entwicklung?
Die Ergebnisse aus dem dritten Teilprojekt zeigen klar, dass ein Wasserstoffmotor nicht nur technisch umsetzbar, sondern auch unter anspruchsvollen Praxisbedingungen leistungsfähig und praktisch sauber ist. Er ist von dieser Seite aus prädestiniert für den Einsatz in Nutzfahrzeugen, auch bei größeren Modellen.
Momentan gibt es zwei primäre Herausforderungen die einem großflächigen Roll Out entgegenstehen. Zum einen muss Wasserstoff ja in einem Tank gespeichert werden, was für größere Mengen nicht so einfach ist und damit die Reichweite begrenzt. Zum anderen fehlt noch der bezahlbare grüne Wasserstoff. Beide Herausforderungen gelten gleichermaßen für wasserstoffbasierte Brennstoffzellennutzung und Wasserstoffmotoren. Es wird immerhin zunehmend klar, dass die wasserstoffmotor-basierte Technologie einfacher und robuster für den praktischen Einsatz ist.
Was sind nach drei Jahren für Sie, als Sprecher, die schönsten Erfolge des Innovationslabors, Herr Dinkelacker?
Wir sind angetreten, weil wir nachweisen wollten, dass die direkte Wasserstoffverbrennung in vollständig nachhaltiger Weise möglich ist und sinnvoll sein kann. Wir konnten dies in allen drei Bereichen der Kraftwerkstechnologien, der Industrieprozesse und für Wasserstoffmotoren zeigen. In Folgeprojekten werden wir uns jetzt verstärkt den Kriterien Wirkungsgrad, Leistungsdichte und Verlässlichkeit, sowie einer Betrachtung der Kosten auf Investitions- und Verbrauchsseite widmen.
Wir sind sehr stolz darauf, wie stark wir den wissenschaftlichen Nachwuchs in die Projekte im Innovationslabor einbinden konnten. Insgesamt wurden neun Promotionsvorhaben gestartet, von denen drei bereits abgeschlossen sind und die weiteren sechs werden voraussichtlich 2025 zum Abschluss gebracht. Darüber hinaus sind über 40 Master- und Bachelor-Arbeiten in den Teilprojekten erfolgreich durchgeführt worden. Wir haben in den drei Jahren drei Patentanmeldungen eingereicht und schon jetzt sind fünf Folgeprojekte bewilligt worden, unter anderem im Rahmen des Forschungsverbundes TEN.efzn. Wir wollen aber noch weiter gehen und noch tiefer in einige Fragestellungen einsteigen, weshalb sechs weitere Folgeprojekte in Planung sind. Wenn man dann noch die vielen Publikationen und Tagungsbeiträge sowie den Stand auf der Hannover Messe 2024 betrachtet, so können wir sagen, dass wir in diesem Projekt sehr viel, sehr erfolgreich bewegt haben.
Jetzt den Abschlussbericht des Innovationslabors WaVe lesen
F. Dinkelacker et al., Innovationslabor - Nachhaltige Wasserstoff-Verbrennungskonzepte (WaVe), Abschlussbericht, Förderinitiative: Innovationslabore für Wasserstofftechnologien beim Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Garbsen, Leibniz Universität Hannover, März 2025.
Der Abschlussbericht des Innovationslabors kann über diesen Link kostenlos heruntergeladen werden.