Wasser spalten leicht(er) gemacht
efzn-Innovationslabor Wasserelektrolyse entwickelt Werkzeugkasten, um die Herstellung von grünem Wasserstoff effizienter zu gestalten.
Egal ob man einen Schrank zusammenbaut, ein Fahrrad repariert oder eine neue Lampe aufhängt – ohne das passende Werkzeug werden diese Aufgaben zur fast unlösbaren Herausforderung. Bei der Weiterentwicklung und Optimierung von Wasserelektrolyseuren ist es ähnlich – nur mit den richtigen Methoden und Modellen lassen sich diese komplexen Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff effektiv weiterentwickeln. Im Innovationslabor Wasserelektrolyse (InnoEly) hat ein standortübergreifend arbeitendes Team von niedersächsischen Forschenden daher einen Charakterisierungs- und Modellierungswerkzeugkasten für Elektrolyseure entwickelt. Projektsprecher Prof. Dr.-Ing. Richard Hanke-Rauschenbach von der Leibniz Universität Hannover erläutert im Interview die Entstehung und Bedeutung dieser außergewöhnlichen Toolbox.
Lieber Herr Hanke-Rauschenbach, lassen Sie uns mit einer allgemeinen Frage einsteigen: Warum ist die Forschung zur Wasserelektrolyse generell wichtig?
Die Wasserelektrolyse ist von großer Bedeutung für die Wasserstoffwirtschaft insgesamt, weil sie der Startpunkt der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ist. Hier entsteht aus grünem Strom grüner Wasserstoff, der danach sehr vielfältig verwendet wird und für eine Vielzahl von Prozessen wichtig ist, von der Direktnutzung über die Speicherung bis hin zur Weiter-Konversion zu Kohlenwasserstoffen, etwa zur Herstellung nachhaltiger Kraftstoffe.
Fakt ist, dass Wasserstoff künftig ein wichtiger Energieträger sein wird, den wir zum Gelingen der Energiewende benötigen. Fakt ist aber auch: Grüner Wasserstoff wird immer ein knappes Gut bleiben und eine Ressource sein, die ihren Preis haben wird. Dieser Preis hängt dabei ganz maßgeblich vom spezifischen Energiebedarf der Wasserelektrolyse ab. Die Stromkosten machen etwa 80 Prozent des Wasserstoffpreises aus – wenn wir also mit der gleichen Menge Solar- oder Windstrom effizienter Wasserstoff erzeugen können, wirkt sich das unmittelbar auf den Preis aus. Daher besteht großes Interesse daran, den spezifischen Energiebedarf von Elektrolyseuren zu optimieren und so den Preis für grünen Wasserstoff zu verringern.
Die Herausforderung dabei ist, dass die Senkung des spezifischen Energiebedarfs eines Elektrolyseurs sich immer auch auf seine Installationskosten und seine Lebensdauer auswirkt. Das komplexe Zusammenspiel dieser drei Faktoren muss bei der Weiterentwicklung immer berücksichtigt werden. Übrigens, die Forschung zur Optimierung der Wasserelektrolyse ist eher ein gradueller, kontinuierlicher Prozess, ganz ähnlich zur Weiterentwicklung des klassischen Verbrennungsmotors, der auch über Jahrzehnte immer weiter verfeinert und verbessert wurde.
Eines der Hauptziele von InnoEly war ja die Entwicklung eines „Charakterisierungs- und Modellierungswerkzeugkastens zur Weiterentwicklung von technischen Wasserelektrolyseuren“ – das klingt zunächst etwas sperrig. Könnten Sie einmal erläutern, was sich dahinter verbirgt? Was zeichnet diesen Werkzeugkasten aus und warum ist er notwendig und sinnvoll?
Der entwickelte Werkzeugkasten vereint eine Reihe von Methoden aus zwei zentralen Bereichen: der experimentellen Charakterisierung und der modellbasierten Beschreibung von Wasserelektrolyseuren. Solche Methoden werden in der Elektrolyseforschung immer benötigt – und viele von ihnen existierten bereits vor InnoEly, allerdings verteilt auf verschiedene Technologien und Standorte. Das Ziel von InnoEly war es daher, einen technologieübergreifenden Austausch zu fördern: Niedersächsische Forschende aus verschiedenen Bereichen – etwa der Hochtemperatur-, der alkalischen und der PEM-Elektrolyse – wurden durch das Innovationslabor an einen Tisch gebracht, um ihre Herangehensweisen zusammenzuführen.
Der experimentelle Teil des so entwickelten Werkzeugkastens umfasst Verfahren zur Charakterisierung des Betriebsverhaltens von Elektrolyseuren. Hier ging es insbesondere darum, gemeinsam ein standardisiertes Set an Methoden zu erarbeiten, mit dem sich Verlustmechanismen und zugehörige Kenngrößen systematisch identifizieren und quantifizieren lassen. Konkret lässt sich damit beantworten: Wo im Elektrolyseur treten die Energieverluste auf, wenn wir Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten – und wie lässt sich dieser Verlust beheben? Auf der modellierungstechnischen Seite wurden Methoden zusammengetragen, mit denen sich dieses Verhalten mathematisch beschreiben lässt – also Modelle, die das reale Verhalten der Elektrolyseure abbilden und für die gezielte Optimierung nutzbar machen.
Mit diesem Bündel an Methoden im Werkzeugkasten können wir die Wasserelektrolyse gezielt verbessern – sowohl innerhalb künftiger, teils bereits gestarteter Forschungsprojekte als auch in der praktischen Zusammenarbeit mit Industriepartnern vor Ort. Mit dem Werkzeugkasten haben wir in InnoEly sehr gute Voraussetzungen geschaffen, um die Forschung und Entwicklung zur Wasserelektrolyse über die kommenden Jahre intensiv zu unterstützen und beschleunigen.
Über die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien
Die Wissenschaftsallianz Wasserstofftechnologie bündelt unter dem Dach des efzn die Kompetenzen der Wasserstoffforschung in Niedersachsen und hat sich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Potenziale von grünem Wasserstoff in Energie, Mobilität und Industrie zu erforschen und nutzbar zu machen.
Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur förderte zu diesem Zweck aus dem Niedersächsischen Vorab (heute: zukunft.niedersachsen) von 2021-2024 die Innovationslabore für Wasserstofftechnologien, in denen Wissenschaft und Praxisakteure gemeinsam Lösungen zu den zentralen wissenschaftlichen, technologischen und ökonomischen Herausforderungen erarbeiteten und dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Technologieentwicklung und Marktdurchdringung von Wasserstoff leisten konnten.
Was sind aus Ihrer Sicht – ergänzend zum Werkzeugkasten – die wesentlichen Ergebnisse des Labors? Und welche Erkenntnisse haben Sie besonders überrascht oder begeistert?
Wir haben mit den Methoden aus dem Werkzeugkasten ein konkretes Anwendungsbeispiel bearbeitet, bei dem es um die Optimierung zentraler Elemente der alkalischen Elektrolyse ging. Besonders spannend war dabei die Erkenntnis, dass sich mithilfe unserer Werkzeuge bestimmte Optimierungsideen bereits im Vorfeld ausschließen ließen – Ideen, die man ansonsten nur durch zeitintensive Forschungsarbeit hätte überprüfen können. Auch wenn wir uns in diesem Fall natürlich erhofft hatten, mit Hilfe des Werkzeugkastens direkt ein konkretes Optimierungspotenzial zu entdecken, ist es dennoch ein wichtiges Ergebnis: Zu wissen, welche Wege man nicht gehen muss, spart wertvolle Ressourcen und kann Forschungsprozesse letztlich auch effizienter machen.
Eine besonders erfreuliche, ungeplante Entwicklung war zudem die enge Zusammenarbeit zwischen den Forschenden aus der alkalischen und der PEM-Elektrolyse. Aus diesem durch InnoEly angestoßenen technologieübergreifenden Austausch ist eine neue, vielversprechende Kooperation hervorgegangen, in der die beteiligten Forschenden nun gemeinsam an einer innovativen Hybridform, der sogenannten Anionen-Austauschmembran-Elektrolyse, kurz AEM-Elektrolyse, arbeiten. Hier gibt es bereits erste gemeinsame Publikationen und Planungen für konkrete Folgeprojekte.
Sie haben ja im Labor mit vielen Praxispartnern aus der Wirtschaft zusammengearbeitet. Was denken Sie: Welchen Impact wird die Arbeit des Innovationslabors auf den Wasserstoffhochlauf und den praktischen Einsatz von Wasserelektrolyseuren haben?
Wir haben zwei grundlegende Dinge durch InnoEly geschafft: Einerseits haben wir mit der Entwicklung des Werkzeugkastens und der enthaltenen Methoden zum nationalen und internationalen wissenschaftlichen und industriellen Diskurs im Elektrolyse beigetragen. Die resultierenden Ergebnisse und Erkenntnisse sind über unsere Publikationen öffentlich zugänglich und werden auf diese Weise zur Weiterentwicklung des Feldes beitragen.
Andererseits haben wir mit InnoEly vor der Haustür gewirkt. Wir haben durch die breite Kooperation ein Ökosystem zum Thema Wasserelektrolyse geschaffen, das zum einen die niedersächsische Wasserstoffforschung weiter beflügelt und zum anderen zukünftig auch ein Anreiz für die Ansiedlung weiterer wirtschaftlicher Akteure und für industrielle Standordentscheidungen sein kann. Im niedersächsischen Raum befinden sich inzwischen einige wichtige Hersteller von Elektrolysesystemen oder Komponenten von Elektrolysesystemen, mit denen wir in engem Dialog und auch über Projekte verknüpft sind.
Einen Blick in die Glaskugel bitte: Welche Elektrolysetechnologie macht das Rennen in der Praxis?
Eine spannende Frage, die auch die Szene umtreibt. Als Forschender geht man natürlich davon aus, dass die Elektrolysetechnologie, an der man selbst forscht, das Rennen machen wird (lacht).
Ernsthaft: Im Moment geht man davon aus, dass alle drei etablierten Technologien – und vielleicht auch die bereits erwähnte Anionen-Austauschmembran-Elektrolyse als vierte Technologie – ihren Platz im Markt finden werden. Ähnlich wie wir im Fahrzeugbereich unterschiedliche Motor- und Verbrennertechnologien haben, wird es aus meiner Sicht auch im Elektrolysebereich spezifische Anwendungsfelder für die einzelnen Elektrolyse-Technologien geben.
Der Grund dafür ist, dass die Anforderungen an die Wasserelektrolyse nicht an jedem Ort auf der Welt gleich sind. So wird es möglicherweise künftig Elektrolyseure auf Offshore-Plattformen geben – da ist dann etwa wichtig, dass die Anlagen möglichst kompakt sind. Es gibt bestimmte Anforderungen an Dynamik oder Wirkungsgrad, die je nach Standort sehr unterschiedlich sein können. In Deutschland ist etwa der für die Elektrolyse benötigte Strom vergleichsweise teuer, sodass hier der Wirkungsgrad der eingesetzten Elektrolyseart besonders relevant ist.
An anderen Orten auf der Welt sind erneuerbare Energien günstiger, sodass dann eher die Investitionskosten des Elektrolyseurs wichtiger sind. Auch Materialverfügbarkeiten und Materialverbote werden bei dieser Verteilung sicherlich eine Rolle spielen. Als Forscher bin ich selbst sehr gespannt darauf zu sehen, in welcher Gewichtung sich die unterschiedlichen Technologien letztlich global verteilen werden.
Gibt es noch Fragestellungen, an denen Sie gerne tiefgreifender geforscht hätten – und gibt es hierzu vielleicht schon Folgeprojekte?
Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an Folgeprojekten, die sich aus InnoEly ergeben haben, unter anderem auch die erwähnte Forschungskooperation zur AEM-Elektrolyse. Wir werden also viele der Fragestellungen, die sich im Innovationslabor ergeben haben, weiter bearbeiten können.
Im Rahmen des Innovationslabors ist uns darüber hinaus deutlich geworden, wie spannend die Interaktion zwischen der elektrochemischen und der mechanischen Welt ist – die meisten Elektrolyseurarten vereinen ja diese beiden Welten in ihrem Aufbau. Wir haben dazu jetzt eine Zusammenarbeit in Niedersachsen und über Niedersachsen hinaus ins Leben gerufen und ein Schwerpunktprogramm bei der DFG beantragt, das sich genau mit diesen Wechselwirkungen beschäftigt.
Welches Fazit ziehen Sie zum Abschluss des Innovationslabors, sowohl mit Blick auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse als auch auf die Zusammenarbeit?
Das Projekt InnoEly – und auch die anderen Innovationslabore – sind genau zur richtigen Zeit entstanden, um die niedersächsische Wissenschaftscommunity rund um das Thema Wasserstoff noch enger zusammenzubringen und die guten Startbedingungen zu nutzen und gemeinsam direkt vor der Haustür zusammenzuarbeiten. Es hat sich ein Forschungs-Ökosystem entwickelt, die auch über die Zeit der Innovationslabore Bestand haben wird. Das Projekt InnoEly selbst werden wir in unserem Kompetenznetzwerk Wasserelektrolyse weiterpflegen und weiterleben lassen – das erste Meeting dazu hat bereits im vergangenen Dezember stattgefunden, das nächste ist für den Sommer geplant.
Eine gute Zusammenarbeit in der Wissenschaft hängt so stark davon ab, ob man sich kennt, ob man sich mag, ob man abends auch mal zusammen gekickert und ein Bier getrunken hat. Dieses Projekt hat genau zur richtigen Zeit gut getan und die notwendige persönliche Ebene zwischen vielen von uns hergestellt, um die niedersächsische Wasserstoff-Community zusammenzubringen. Ohne diese Zusammenarbeit hätte es leicht passieren können, dass wir uns alle zwar irgendwie kennen, aber hauptsächlich als Konkurrenten wahrnehmen. Dadurch, dass wir uns durch die Innovationslabore regelmäßig gesehen haben, wissen wir, was die gegenseitigen Stärken sind, wo wir zusammenarbeiten können und welche gemeinsamen Projekte wir jetzt und zukünftig angehen können. Das ist ein unglaublicher Mehrwert und Zugewinn für uns als Forschende und für die Forschung im Land insgesamt.