Kursbestimmung Anreizregulierung: Wie kalibrieren wir die Koordinaten im Regulierungssystem neu?
14. Göttinger Tagung zu aktuellen Entwicklungen des Energieversorgungssystems am 10. und 11. Mai 2023 in Göttingen
Bei der 14. Göttinger Energietagung, die vom 10.-11. Mai 2023 in der Paulinerkirche stattfand, stand mit der Anreizregulierung ein zentrales regulatorisches Instrument des Energienetzes im Fokus. Über 220 Vertreter:innen von Unternehmen, Verbänden, Beratern, Behörden und aus der Wissenschaft kamen nach drei Jahren erstmals wieder in Präsenz zusammen, um sich in historischem Ambiente über die Zukunft des Netzbetriebs auszutauschen.
Energienetze sind sogenannte natürliche Monopole. Es ist wirtschaftlich nicht sinnvoll, parallele Strom- oder Gasnetze aufzubauen - und mit Blick auf die Herausforderungen, die schon der Bau einer einzelnen Trasse mit sich bringt, wäre eine solch parallele Infrastruktur auch planerisch, räumlich und gesellschaftlich nur schwer um- und durchsetzbar.
Um dennoch eine Art marktwirtschaftliche Dynamik zu schaffen und wettbewerbsähnliche Zustände im Netzbetrieb zu ermöglichen, steht der Bundesnetzagentur (BNetzA) das Instrument der Anreizregulierung zur Verfügung. Netzbetreibern wird für einen festen Zeitraum ein von der BNetzA errechneter Erlös zugesprochen. Der Anreiz dabei: Arbeitet der Netzbetreiber besonders effizient und wirtschaftlich, kann er auf diese Weise unter der zur Verfügung gestellten Erlössumme bleiben und die Differenz als Gewinn verbuchen. „Anreizregulierung ist weit mehr als nur die bloße Regulierungsformel“, betonte Prof. Dr. Bernd Engel, der für das EFZN die Tagung miteröffnete. „Sie formt den Handlungsrahmen für den Netzaus- und umbau und ist damit eine wichtige Stellschraube auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem.“
Anreizregulierung im Wandel
Das Wirkungsumfeld für diesen seit 2009 bestehenden Mechanismus ist jedoch zunehmend im Wandel: Ein EuGH-Urteil vom September 2021 verschafft der Regulierungsbehörde mehr Handlungsspielraum, den es sinnvoll und effizient zu nutzen gilt. Und auch die Energiewende als umfassender Transformationsprozess der Energiewirtschaft macht es erforderlich, bei der Anreizregulierung einmal unter die Motorhaube zu schauen.
Arbeitstagung mit klarem Auftrag
So formulierte der Veranstaltungstitel „Kursbestimmung Anreizregulierung: Wie kalibrieren wir die Koordinaten im Regulierungssystem neu?“ dann auch einen klaren Auftrag für die Teilnehmer:innen, den Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, in seinen Grußworten noch einmal wiederholte: „Wir erhoffen uns von dieser Veranstaltung eine klare Positionsbestimmung, welche Anpassungen im Regulierungssystem notwendig sind.“
Vorträge von Expert:innen, eine Podiumsdiskussion sowie drei Fachforen boten Gelegenheit, um genau diese Positionsbestimmung vorzunehmen und einige wichtige Kernfragen zu diskutieren, unter anderem:
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Welche exogenen Faktoren nehmen Einfluss auf die regulierten Unternehmen?
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Wie sollte das Regulierungssystem darauf reagieren?
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Wie lassen sich trotz oder wegen der vielen Veränderungen Anreize für Effizienz in den Netzmonopolen setzen?
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Brauchen wir eine energieträgerspezifische(re) Regulierung, insbesondere im Hinblick auf sich verändernde und neue Infrastrukturen wie Gas- und Wasserstoffnetze?
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Was erwarten Investoren vom Regulierungssystem?
Auch weitere Fragestellungen, die die konkrete Weiterentwicklung des Regulierungssystems betreffen, wie z.B. Ausgestaltungsfragen einer stärkeren Exogenisierung der Regulierungsparameter, mögliche neue Ansätze für die Bestimmung der Kapitalkostenvergütung, methodische Anpassungen beim Effizienzvergleich, Ansatzpunkte zur Reduktion der Komplexität sowie europäische Erfahrungen mit einer outputbasierten Regulierung wurden im Rahmen der Konferenz beleuchtet.
Koordinaten für den weiteren Kurs gesetzt
Nach zwei Tagen intensiver Gespräche zog Achim Zerres von der Bundesnetzagentur in seiner Conclusio ein positives Fazit: „Das Ziel der Tagung wurde erreicht: Wir haben uns unser gewünschtes Lastenheft abgeholt.“ Eine der größten Herausforderungen bei der Überarbeitung der Regulierungsmechanismen sei es, die Stabilität des ökonomischen Rahmens mit den Veränderungen in der Welt in Einklang zu bringen. „Diese neue Aufgabe ist für die Branche, für die Investoren, aber auch für die BNetzA Herausforderung, Chance und Risiko zugleich.“
Positiv äußerte sich auch Prof. Dr. jur. Hartmut Weyer für das EFZN in seinen Abschlussworten: „Ich werte es als sehr gutes Zeichen, dass diese Tagung ausgebucht war und hoffe, dass sie für den Regulierer und alle Beteiligten wertvolle Ergebnisse geliefert hat!“
BNetzA-Präsident Klaus Müller betonte im Nachgang die Bedeutung der Veranstaltung: "Wir haben an beiden Tagen intensiv und sehr fachlich über die zukünftigen Fragen der Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze diskutiert. Die Anreizregulierung ist auf der Hebebühne; von dort werden wir den Diskurs mit der Branche zügig fortführen."
Über die Tagung
Die Göttinger Tagung zu aktuellen Entwicklungen des Energieversorgungssystems wird seit 2009 von der Bundesnetzagentur in Kooperation mit dem Energie-Forschungszentrum Niedersachsen durchgeführt.
Sie richtet sich an Vertreter:innen von Unternehmen, Verbänden, Beratern, Behörden und aus der Wissenschaft. Als Arbeitstagung strebt sie disziplinübergreifende, praxistaugliche Diskussionsbeiträge und Impulse an.
Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, begrüßt die Anwesenden.
Programm
1. Tag: Mittwoch, 10. Mai 2023
2. Tag: Donnerstag, 11. Mai 2023
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